Frage14:

Dieter Bauer und Eberhard Rehling:
Anmerkungen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion >Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung< vom 13.02.2008, Bundestagsdrucksache 16/8633
 

Dieter Bauer

Senioren- AK IG- Metall Verwst. Erfurt, DGB- Landesseniorenbeirat Th., dessen Vertreter in der AG der DGB- Bezirke der neuen Länder und in der Koordinierungsgruppe der Erfurter Verbände und Organisationen

Eberhard Rehling

Sprecher im Sozialen AK des Bez. Treptow- Köpenick von Berlin

 

 

Anmerkungen

zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion

>Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der

Wiedervereinigung< vom 13.02.2008, Bundestagsdrucksache 16/8633

 

Die Bundesregierung stellt sich auf den Standpunkt, sie habe mit dem Rentenüberleitungsgesetz den Maßgaben der beiden Staatsverträge zur Vereinigung beider deutscher Staaten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung entsprochen:

 

Zitat aus der DS 16/8633 – S. 2 und 3:

 

Aus dem Untergang[1]) der DDR und ihrer Rechtsordnung ergibt sich für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung das Erfordernis, die einschlägigen individuellen Rechtspositionen nach bundesdeutschem Recht grundsätzlich neu zu begründen. Eine Verpflichtung, an ehemals in der DDR relevante Sachverhalte stets in unverändertem Umfang anzuknüpfen, ist damit nicht verbunden. Vielmehr ist durch die Bezugnahme auf das SGB VI im Einigungsvertrag als Ziel der Überleitung bereits vorgegeben, dass ab dem Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens im gesamten Bundesgebiet das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung auch für die Menschen im Beitrittsgebiet in der Regelungssystematik des SGBVI seine anspruchsbegründenden Grundlagen und Grenzen finden wird.

Für die Höhe der Renten im Beitrittsgebiet gilt nach den beiden Staatsverträgen zur Herstellung der Deutschen Einheit der Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit.

 

 

Diese Darstellung entspricht nicht den tatsächlichen Festlegungen, die wir den Zeitdokumenten entnehmen:

 

Ansprüche und Anwartschaften auf die Elemente der Rente unterlagen in der DDR bedingungslos dem verfassungsmäßigen Schutz (Verfassung vom 7.10.49, Artikel 22; Verfassung vom 7.10.74, Artikel 11, Artikel 16 Ausschluss entschädigungsloser Enteignung, Artikel 36 Grundlagen der sozialen und Rentenansprüche; das Zivilgesetzbuch vom 19.6.75 §§ 22 und 33 sichern die Einklagbarkeit von Eigentumsrechten aller Art; das „Rechtshandbuch für den Bürger“ führt auf Seite 285 alle monetären Leistungen und Ansprüche auf).

 

Ein Eingriff in soziale Rechte war tatsächlich undenkbar. Die sozialen Leistungen waren das Aushängeschild, das sich der Staat sehr viel kosten ließ.

 

Das SGB VI der BRD vom 28.5.1990 sah ein einheitliches Rentenrecht für alle Deutschen vor und sollte am 1. Januar 1992 in Kraft treten.

 

Die DDR hat auf diese Rechtsgrundlage die am 18. Mai 1990 beschlossene Rechtsangleichung ausgerichtet und u. a. das Rentenrecht der DDR an das Recht der Bundesrepublik angeglichen.

 

 

Der Einigungsvertrag enthielt – zusammenfassend ausgedrückt – die Garantie des Fortbestandes rechtmäßig erworbenen Eigentums.

 

Mit Redaktionsschluss 30. Nov. 1990 erschien das Handbuch „Rentenrecht mit allen Maßgaben und Regelungen aus dem Einigungsvertrag“ ISBN 3-448-02305-1.

 

Das heißt:

  1. Die Rechtsgrundlage nach dem Beitritt war grundsätzlich bereits formuliert.
  2. Die Formulierung „nach dem Untergang der DDR“ anstelle „nach den Festlegungen der Staatsverträge“ weißt auf Verletzung der Staatsverträge hin.
  3. Die rückwirkende Neubegründung individuellen Eigentumsrechts, das legal erworben wurde, verletzt u. E. fundamentale Rechtsgrundsätze. Sie ist auch sachlich unnötig gewesen, da die Überleitung durch die Rechtsangleichung auf der Grundlage des SGB VI vom 28. Mai 1990 vorgegeben war und ihre Realisierung im Handbuch „Rentenrecht mit allen Maßgaben und Regelungen aus dem Einigungsvertrag“ bereits grundsätzlich formuliert war.
  4. Es bedurfte nicht des neuen SGB VI mit den a-b-c- Paragraphen für die bereits formulierten Eigentumsansprüche, mit dem die ursprüngliche Vertragsgrundlage für die Staatsverträge außer Kraft gesetzt wurde. (Rückwirkende Änderung der Vertragsgrundlage)
  5. Die Kürzung oder Nichtgewährung rechtmäßig erworbener Eigentumsansprüche sah der Einigungsvertrag nicht vor.
  6. Die Behauptung, es wäre nicht möglich, rentenrechtliche Elemente, die den Grundsätzen der Lohn- und Beitragsbezogenheit nicht entsprechen, in eine adäquate bundesdeutsche Regelung zu übernehmen sei nicht möglich, kann nicht nachvollzogen werden. Aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden sehr viele beitragsfreie versicherungsfremde Leistungen gewährt.
  7. Die vielen Urteile zum Rentenrecht der Beitrittsbürger sind nicht widerspruchsfrei, auch wenn man das suggerieren möchte

 

Im September 1991 stellte Justizminister, Klaus Kinkel auf dem Richtertag in Köln überraschend fest, dass der Staat, mit dem die BRD jahrelang verhandelt hatte, in dem die westlichen Geheimdienste zuhause waren, in dem die bundesdeutschen Medien akkreditiert waren und der ein geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft war, ein Unrechtsstaat war. Seither gehört die Diskriminierung der Beitrittsbürger mit großem Medienaufwand zum Alltag.

 

Offiziell zitiert werden nun ausschließlich Argumente und Begründungen der Schöpfer des besonderen, auf Enteignung ausgerichteten Rentenrechts-Ost.

 

Verschwiegen werden die vielen Kritiken an dieser Rechtskonstruktion z. B die der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Azzola, Prof. Dr. Dr. Merten und viele kritische Veröffentlichungen dazu wie „Das Rentenüberleitungsgesetz und die Herstellung der Einheit Deutschlands“ von Dr. Christoph u. a. m.

Unberücksichtigt bleibt, dass mit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28.4.1999 (BVerfGE 100, 1 – 194) wesentliche Bestimmungen des RÜG als verfassungswidrig bzw. sogar als nichtig gebrandmarkt wurden.

 

 

An einem Beispiel (Seite 3 [2])) wird versucht zu erläutern:

 

Das rentenrechtliche Durchschnittsentgelt betrug im Jahr 2006 in den alten Ländern 29494 Euro und in den neuen Ländern 24938 Euro. Ein Versicherter aus Hannover hat also im Jahr 2006 mit einem Jahresverdienst von 29494 Euro brutto einen Entgeltpunkt erworben. Dagegen erreicht im Jahr 2006 ein Beschäftigter in Magdeburg mit einem Jahresverdienst von nur 24938 Euro ebenfalls einen Entgeltpunkt (Ost). Er wird mit dem Hochwertungsfaktor so gestellt, als ob er 29494 Euro verdient hätte.

 

Bei Vergleichen von Einkommen in den alten und neuen Ländern wird außer Acht gelassen, dass im Beitrittsgebiet bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit geringerer Lohn gezahlt wird.

Damit werden bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit weniger Entgeltpunkte erworben. Insofern bringt die Hochwertung keine Besserstellung.

 

Daher ist dieses Beispiel irreführend. Der Rentenbetrag liegt in diesem Fall im  Beitrittsgebiet 12 % unter dem Rentenbetrag in der Alt-BRD. Weil der zur Rentenberechnung angewandte Durchschnittslohn (Anlage 1 SGB VI) für ganz Deutschland gilt, muss der Lohn im Beitrittsgebiet hochgerechnet werden. Anderenfalls wären die Entgeltpunkte tatsächlich nicht vergleichbar.

 

Auf Seite 4 wird die Entwicklung der Löhne und des Rentenwertes- Ost von 1991 bis heute als Erfolg bezeichnet.

Dabei bleibt wiederum verschwiegen, dass der Übergang von einem hoch subventionierten Preissystem der DDR mit 40 Jahren konstanten Preisen für den Grundbedarf des Lebens ohne jegliche existenzielle Not zu einem stark inflationsgeprägten Wirtschaftssystem die Rentenerhöhung nur vorübergehend kurzzeitig eine reale Einkommensverbesserung für die Mehrheit der Beitrittsbürger brachte. Seit Jahren erleben wir erhebliche Kaufkraftverluste, da uns keine zweite oder dritte Säule der Alterssicherung verfügbar ist. Die Existenzangst nimmt zu.

Angesichts der hohen realen Arbeitslosigkeit von teilw. 30% und 18 Jahre Niedriglohngebiet bleiben die Ansprüche aus dem Erwerbsleben der DDR noch lange die wichtigste Quelle der Alterssicherung.

Unberücksichtigt bleibt auch, dass die Ost-Rente die gekappte Summe aller berücksichtigten Elemente der mitgebrachten Ansprüche und Anwartschaften enthält neben denen keine zusätzlichen Arten der Altersvorsorge verblieben sind.

Unrichtig ist auch die Behauptung, alle bis zum Beitritt erworbenen Ansprüche wären bei der Angleichung des Rentenwertes-Ost doppelt begünstigt. Bei der Hochwertung der Entgeltpunkte aus dem Erwerbsleben der DDR wäre allein bei Berücksichtigung der realen Kaufkraft die Hochwertung mit dem Faktor 1,75 nötig gewesen.

 

Ebenso ist folgende Feststellung auf Seite 4 zumindest unvollständig:

e 4, März 28, 2008

Es wäre jedoch verfehlt, aus der Entwicklung der letzten Jahre auf die längerfristige zukünftige Entwicklung bezüglich der Angleichung der Löhne und der aktuellen Rentenwerte zu schließen.

 

Im Rentenversicherungsbericht 2007 der Bundesregierung wird zur Entwicklung des Rentenwertes Ost angegeben, dass er im Zeitraum von 2007 bis 2011 um 0,3 % steigen wird. Daraus ergibt sich ein Anpassungszeitraum auf 100 % von 161 Jahren (in 4 Jahren 0,3 %, 1 % in 13,3 Jahren und 12,1 % in 161,3 Jahren).

 

Grundsätzlich irreführend ist das auf Seite 6 herangezogene Beispiel:

 

Ein in den neuen Bundesländern versicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen im Jahr 2006 von monatlich 2500 Euro erwirbt eine Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die zum 1. Januar 2007 monatlich 27,63 Euro bzw. jährlich 331,59 Euro betrüge. Ein in den alten Bundesländern versicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit demselben Bruttoeinkommen im Jahr 2006 würde eine Rentenanwartschaft erwerben, die zum 1. Januar 2007 monatlich 26,58 Euro bzw. jährlich 318,94 Euro betrüge.

Verdient ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer im Jahr 2007 ein monatliches Bruttoeinkommen von 2 500 Euro, so betrüge die sich daraus ergebende Rentenanwartschaft zum 1. Januar 2008 bei einem Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern monatlich 27,30 Euro bzw. jährlich 327,61 Euro und bei einem Arbeitnehmer in den alten Bundesländern monatlich 26,73 Euro bzw. jährlich 320,71 Euro.

 

Jemand, der im Beitrittsgebiet 2.500 € monatlich verdient, würde wegen der unterschiedlichen Tarife in der Alt-BRD erheblich mehr, etwa 3.000 € im Monat erhalten. Demzufolge läge seine Rentenanwartschaft nicht bei 26,58 € sondern bei etwa 31,36 € monatlich. Insoweit sind alle derartigen Beispiele nicht realistisch.

Der Rentenwert Ost hat sich im Verhältnis zum aktuellen Rentenwert von 50,94 % im Jahre 1991 auf 87,89 % im Jahre 2007 verändert. Die Hochwertung der Löhne und Gehälter gemäß Anlage 10 zum SGB VI ist in dieser Zeit zwar fortgeschrieben worden, jedoch wurden die Werte für frühere Zeiträume nicht verändert. Die Hochrechnung wird erst von dem Jahr an entfallen, in dem die Einkommensverhältnisse tarifmäßig angeglichen sein werden.

 

Hier wird auch auf die Ausarbeitung „Wer finanziert die Ost-Renten“ von Dieter Bauer, Erfurt, und Eberhard Rehling, Berlin, verwiesen.

 

Die auf Seite 7 dargelegte Gegenüberstellung der Bewertung des Durchschnittslohnes West im Rentenrecht Ost und im Rentenrecht West ist völlig unrealistisch. Der Durchschnittslohn West kommt im Beitrittsgebiet nicht vor!

 

Besonders aufschlussreich ist wohl die letzte Aussage in der Antwort:

 

Festzustellen bleibt, dass mit Ausnahme der Beanstandungen der ausstehenden Angleichung des Rentenniveaus in Ost und West die Anzahl der Eingaben und Petitionen, die im Zusammenhang mit der Rentenüberleitung stehen, infolge der seit der Wiedervereinigung fortgeschrittenen Zeit von Wahlperiode zu Wahlperiode zurückgehen.

 

Mit anderen Worten: Die Bundesregierung vertraut im Hinblick auf die Zusatzversorgungen der Beitrittsbürger auf eine biologische Lösung.

 

Die Hochwertung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet gemäß Anlage 10 SGB VI muss als Hauptgrund gegen die Angleichung des Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert herhalten.

Mit dieser wurde jedoch ein Verfahren gefunden, um die unterschiedlichen Tarifsysteme im Beitrittsgebiet und in der BRD vergleichbar zu machen. So müssen eben auch die von allen Bürgern der DDR einkommensunabhängig genutzten Subventionen für Mieten, Fahr- und Energiepreise sowie Lebensmittel und vieles andere mehr, die so genannte zweite Lohntüte, beim Einkommen berücksichtigt werden. Auch heute sind die Tarife in Ost und West nicht einheitlich. Beschäftigte gleicher Qualifikation werden unterschiedlich, und zwar im Beitrittsgebiet niedriger, entlohnt.

Insgesamt  wird der Eindruck vermittelt, dass bei fortgesetzter Ignoranz wesentlicher Fakten mit dem Aufgebot großer Teile der Ministerialbürokratie und der Justiz die Enteignung und Diskriminierung der Beitrittsbürger fortgesetzt werden soll.

                                                                                                                      April 2008

 

Kontakt:    Dieter Bauer, Friedrich-List-Straße 31, 99096 Erfurt; Email: d.bauer-erf@web.de

Eberhard Rehling, Köpenzeile 132, 12557 Berlin; Email: rehling@arcor.de                                                                                                       

 



[1]) Im Gegensatz zum tatsächlich vollzogenen Anschluss der DDR wird hier der falsche Begriff „Untergang“ verwendet. So wird ein Verzicht auf alle gesetzlichen und rechtlichen Bestimmungen suggeriert.

[2]) Alle Seitenangaben beziehen sich hier und im Folgenden auf die Bundestagsdrucksache 16/8633