FRAGE 11: Bemerkungen zu Informationen der
Regierung über die |
Die Bundesregierung hat grundsätzliche Einschätzungen
zur Alterssicherung Ost in die oben genannten Materialien, in ihren
Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit 2007 und in den
Rentenversicherungsbericht 2007, aufgenommen. Wir empfehlen den interessierten Lesern der Berichte,
die Feststellungen und Informationen genau zu prüfen, da sie Ausgangspunkte für
die weitere Herausbildung der öffentlichen Meinung zur „Rente Ost“ beinhalten.
Wir wenden uns dabei gegen die Darstellungen, die den Fakten nicht entsprechen
bzw. irreführend sind und Vorurteile im Hinblick auf die Einschätzung der
Alterssicherung Ost fördern. Nachfolgend geben wir einige Hinweise aus
unserer Sicht; wir wären dankbar, wenn uns die Leser der Berichte und unserer
Darlegungen ihre Meinung dazu und andere Auffassungen bzw. kritische
Bemerkungen übermitteln würden (siehe in der Rubrik: Kontakt). Entgegen der Darstellung in den Berichten werden „die
Renten in alten und neuen Ländern“ werden nicht „nach einheitlichen Grundsätzen
berechnet“, wie das im Jahresbericht
der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2007 (Unterrichtung durch
die Bundesregierung, 21.09.07, Drs. 16/6500, S. 47 in Ziffer „11.
Alterssicherung und Gesundheit“) behauptet wird. Für Bürger mit Alterssicherungsansprüchen und
–anwartschaften, die sie rechtmäßig in der DDR erworben haben, gilt ein Sonderrecht
Ost, das die Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages
gebrochen, den zugesicherten Bestands- und Vertrauensschutz beseitigt und
den Wert der in der DDR rechtmäßig erworbenen Ansprüche und Anwartschaften
lebenslang vermindert hat (Vgl. „Das Rentenüberleitungsgesetz und die
Herstellung der Einheit Deutschlands“, Christoph, Berlin 1999. Das Buch ist in www.rentenrecht.de vollständig enthalten).
Das Rentenüberleitungsgesetz liquidierte alle
Ansprüche aus der SV, der FZR und der AVI der DDR und „ersetzte“ sie durch
geringerwertige Ansprüche aus dem SGB VI i.d.F. des RÜG durch die so genannte
„gesetzliche Novation“(in dem Buch u. a. S. 170ff). Dazu gehören besondere
Beitragsbemessungsgrenzen, besondere aktuelle Rentenwerte und spezielle Anspruchserwerbsfestlegungen,
die z. T. über 50 Jahre rückwirkend anzuwenden sind: Die frühere DDR-Situation
wird nicht beachtet. Im Ergebnis führt die Verfahrensweise, bei der nur noch
die Anspruchserwerbstatbestände des SGB VI gelten, die von dem ehemaligen
DDR-Bürgern während des Anspruchserwerbs nicht berücksichtigt werden konnten,
zu einer Missachtung der Lebensleistungen und der Versicherungsverhältnisse der
aus der DDR gekommenen Bürger. In den Berichten werden die verfügbaren
Eck-(Standard-)Renten der alten Länder mit denen der neuen Länder[1] verglichen
und aus der Differenz wird das Verhältnis der Renten Ost zu West berechnet. Die
Berechnung ist u. E. fehlerhaft. Das gilt ebenso für den daraus errechneten
Verhältniswert: Der Eck-Rentner Ost kommt nach 45 Jahren nicht auf 45
persönliche Entgeltpunkte Ost – weder tatsächlich noch fiktiv. Auch für jeden
einzelnen Rentner ergeben sich die negativen Auswirkungen der besonderen
Beitragsbemessungsgrenze Ost, z. B. für Rentner, die in der DDR zu der
technischen Intelligenz gehörten, deren Zugehörigkeit jetzt nicht anerkannt
wird. Die Regierungsberechnung berücksichtigt nicht, dass
der Eckrentner der neuen Ländern, der über die DDR-Sozialversicherung hinaus
keine Zusatzansprüche aus der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung oder aus einem
Zusatzversorgungssystem wie z. B. der zusätzlichen Altersversorgung für
Angehörige der wissenschaftlichen, pädagogischen und künstlerischen Intelligenz
(AVI) erworben hat, aufgrund der Kürzung der zu berücksichtigenden Einkünfte in
der Zeit vom 01.03.71 bis 30.06.90 auf die besondere Beitragsbemessungsgrenze
Ost in 45 Versicherungsjahren nur 40,3751 PEP-Ost erreicht. Der Eckrentner
erhält in den alten Ländern[2] 1.182,15
€ Rente, in den neuen Ländern jedoch nur auf 932,26 €. Der Verhältniswert verringert
sich von 88,1% (Regierungsrechnung) auf den tatsächlichen Wert von 78,86%. Die Berichte fördern schließlich die irrige
Auffassung, ehemalige DDR-Bürger würden mehr Rente erhalten als Bürger der
alten Länder. Das beruht einerseits auf dem fehlerhaften Vergleich
zwischen den verfügbaren Eckrenten (vgl. oben), andererseits auf der
Behauptung, die „günstigere Ost-West-Relation der verfügbaren laufenden
Versichertenrenten“ würde „vor allem aus den geschlossenen
Versicherungsbiografien der heutigen Rentnerinnen und Rentner in den neuen
Ländern“ und aus „vorübergehenden Effekten“ resultieren. Ursächlich ist dagegen, dass unterschiedliche
Bürgergruppen aus Ost und West miteinander verglichen werden: Alle ehemaligen
DDR-Bürger, Arbeiter, Angestellte, Volkspolizisten ebenso wie alle Angehörigen
der technischen, wissenschaftlichen, pädagogischen und künstlerischen
Intelligenz und andere Bürger mit höherem Einkommen werden jener Gruppe
Westdeutscher gegenüber gestellt, die gemäß SGB VI Versicherungsrentenansprüche
erworben haben: Höhere Einkünfte
aus den 6 anderen Bausteinen der Alterssicherung der alten Länder[3]
bleiben außen vor. Ein ehrlicher Vergleich der Alterseinkünfte einschließlich
der Versichertenrenten Ost zu West ist nur auf Grundlage der Alterseinkünfte
(und nicht beschränkt auf die Versichertenrenten) in Ost und West möglich, und
danach liegen die Westdeutschen uneinholbar weit vorn, die zudem noch
uneinholbare Vorteile durch andere Vermögenswerte haben, die den Bürgern aus
der DDR fehlen. Den Rentnern der
neuen Länder wurden entgegen den Zusicherungen des Einigungsvertrages[4] alle
Ansprüche auf zusätzliche Alterseinkommen zur Aufbesserung der
Versichertenrente ersatzlos genommen. Kaum ein Bürger kennt allerdings das unüberschaubare
Alterssicherungsrecht so, dass er die irreführenden Tricks durchschauen kann.
RA Dres. Christoph [1] Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand
der deutschen Einheit 2007 vom 21.09.07, Deutscher Bundestag, Drucksache
16/6500, S. 47, und Rentenversicherungsbericht 2007 vom 22.11.07, Deutscher
Bundestag Drs. 16/7300, S. 15 und Übersicht 12 (Anhang). [2] Ohne die in Übersicht 12 des Berichts (a.a.O.)
vorgenommenen Abzüge! [3] Bausteine der Alterssicherung der alten
Länder sind neben der gesetzlichen und knappschaftlichen Rentenversicherung die
Versorgungswerke, die Alterssicherung Landwirte, die Zusatzversorgungen im
öffentlichen Dienst, die betrieblichen Altersversorgungen, die Beamtenpensionen
und die Lebensversicherungen. [4] „Dass Verbindlichkeiten aus sozialen
Sicherungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik nicht in voller Höhe
zu erfüllen sind, ist im Einigungsvertrag nicht bestimmt. Der Einigungsvertrag
spricht vielmehr davon, dass in der Deutschen Demokratischen Republik erworbene
Rentenansprüche und –anwartschaften zu überführen sind. Er normiert5 außerdem
eine Zahlbetragsgarantie und stattet damit bestimmte in der Deutschen
Demokratischen Republik erworbene Rentenansprüche und Rentenanwartschaften auch
hinsichtlich ihrer Leistungshöhe mit einem Besitzschutz aus…“ Vgl. bes. das
Leiturteil des BVerfG vom 28.4.1999, veröffentlicht u. a. BVerfGE 100, 1 [49]). |