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Dr. Karl-Heinz Christoph
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vom 20.02.2007


Wesentlicher Teilerfolg
der Menschenrechtsbeschwerde einer ehemaligen Balletttänzerin aus der DDR


Ballettmitglieder aus der DDR erhielten die berufsbezogene Zuwendung (bbZ) als eine besondere Berufsunfähigkeitsrente, wenn sie ihren schweren Beruf nicht mehr ausüben konnten. Entsprechende Leistungen, die 1990 zumeist eine Höhe von 270 DM bis zu 450 DM hatten, wurden ab 01.01.1992 entschädigungslos eingestellt.

Eine solche willkürliche Verfahrensweise gab es nach 1945 weder bei Alters-, Invaliden-, Berufsunfähigkeits- und Betriebsrenten noch bei Versorgungen oder vergleichbaren Leistungen aus sozialen Sicherungssystemen. Selbst im Einigungsprozess ab 01.01.1992 wurden bestandskräftige rechtmäßig erworbene Leistungsansprüche nicht in dieser Art entschädigungslos und ohne jegliche Ersatzleistung enteignet. Die Ungleichbehandlung gegenüber allen entsprechenden Ansprüchen, die aus der DDR oder den alten Ländern der Bundesrepublik stammen, ist für die Betroffenen weder verständlich noch akzeptabel. Zahlreiche Klagen gegen diese rechtswidrige Enteignung sind bei den Arbeits- und Sozialgerichten noch anhängig.

Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Musterverfahren der Interessengemeinschaft ehemaliger Ballettmitglieder aus der DDR über die Menschenrechtsbeschwerde einer ehem. Balletttänzerin entschieden (Verfahren KIRSTEN gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 19124/02). Das Straßburger Urteil, das am 15.02.2007 verkündet wurde (vgl. Internet: http.//www.echr.coe.int), erbrachte einen wichtigen Teilerfolg. Wegen der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer und des Fehlens eines effektiven Rechtsschutzes (Verletzungen der Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention) wurde der Tänzerin eine Entschädigung (insges. 4.000 €) zugebilligt. Das Gericht sah keinen Grund, weshalb sich das Bundesverfassungsgericht nach ca. sechsjähriger Verfahrensdauer noch die Zeit nahm zu warten, bis weitere bbZ-Verfahren bei ihm anhängig wurden. Diese Verfahrensverzögerung könne nicht durch prozessökonomische Gründe oder die Sondersituation der Wiedervereinigung gerechtfertigt werden. Das europäische Gericht meint, dass die bbZ-Leistungen, die auch als Teil der Altersversorgung der Klägerin gedacht waren, eine hohe Bedeutung für die Klägerin haben. Ihre weitergehenden Anträge wurden allerdings als unzulässig angesehen.

Gegen das vorliegende Urteil der Kleinen Kammer des EGMR vom 22.01.2007 kann gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention nunmehr innerhalb von 3 Monaten die Große Kammer des EGMR angerufen werden. Diese mit 17 Richtern aus 17 Staaten besetzte Kammer wird damit erstmals mit einer Menschenrechtsbeschwerde konfrontiert werden, die einen Musterfall aus dem Komplex der Renten- und Versorgungsüberleitung in Deutschland betrifft. Dazu sind noch unzählige Gerichtsverfahren sowie zu unterschiedlichen Tatbeständen inzwischen auch Menschenrechtsbeschwerden anhängig (Missachtung von Rentenansprüchen Beschäftigter des Gesundheits- und Sozialwesens, der Deutschen Reichsbahn und der Post, Verletzung der vom Einigungsvertrag zugesicherten Zahlbetragsgarantie, Abschmelzung der Auffüllbeträge, Liquidierung von Ansprüchen Angehöriger der technischen Intelligenz sowie anderer Bürger auf zusätzliche Versorgungen und Zusatzrenten z. B. aus der Freiwilligen Zusätzlichen Rentenversicherung). Den Grundsatzfragen des vorliegenden Musterverfahrens kommt dadurch eine weit über den Bereich der bbZ hinausgehende Bedeutung für Millionen Bürger zu, die noch immer von den Ungerechtigkeiten der Renten- und Versorgungsüberleitung betr